FDP Waiblingen Korb: Podiumsdiskussion „Liberale Wege aus der Bildungskrise“ in Waiblingen
Bundesweite Rankings zeigen: Baden-Württemberg steckt in einer Bildungskrise. Nachdem das Land jahrzehntelang immer einen der TOP 3-Plätze belegt hatte, ist der Südwesten in Sachen Bildung bundesweit auf den letzten Platz abgerutscht. Dies nahm der FDP-Ortsverband Waiblingen-Korb zum Anlass, unter dem Titel „Liberale Wege aus der Bildungskrise“ zur Podiumsdiskussion mit dem bildungspolitischen Sprecher der FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag, Dr. Timm Kern, ins Waiblinger Familienzentrum KARO einzuladen. Mit dabei: Axel Rybak geschäftsführender Schulleiter in Waiblingen und Rektor der Staufer Realschule sowie Stefan Rindler, Elternsprecher der Salier Grund- und Gemeinschaftsschule, die den Besuchern unter der Moderation der Waiblinger FDP-Landtagsabgeordneten Julia Goll wichtige Einblicke in den Schulallalltag ermöglichten.
„Ein dramatischer Lehrkräftemangel, immer mehr Schülerinnen und Schüler, die die Mindestanforderungen in Deutsch und Mathe nicht erreichen, Schulleitungen, die angesichts übermäßiger Bürokratie keine Zeit für pädagogische Aufgaben haben sowie eine immer stärkere Heterogenität der Klassen“ - so skizzierte Goll zu Beginn der Veranstaltung die aktuellen Probleme im Schulbetrieb. Als fünffache Mutter „mit mehr als 60 Jahren Schulerfahrung“ und langjährige Elternbeirätin habe sie hautnah erlebt, wie die Qualität an den Schulen immer weiter abnimmt, während der Unterrichtsausfall und die Belastung der Pädagogen permanent ansteigen. „Die Probleme sind seit Jahren bekannt und liegen auf dem Tisch, doch die Trendwende in der Politik lässt nach wie vor auf sich warten“, so die stellvertretende Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, die in Waiblingen auch seit vielen Jahren auf kommunalpolitischer Ebene als Stadt- und Kreisrätin aktiv ist.
„Es gibt im Moment sehr viele Baustellen in unserer Bildungslandschaft“, bekräftigte Schulleiter Axel Rybak. Das größte Problem stellten derzeit der massive Lehrkräftemangel und der damit verbundene Unterrichtsausfall dar. Dass das System noch nicht ganz zusammengebrochen ist, sei nur dem „unglaublich motivierten Einsatz der Lehrkräfte zu verdanken.“ Als „Katastrophe und Mutter aller Probleme“ bezeichneten sowohl Rybak als auch Elternverteter Stefan Rindler die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung unter Ministerpräsident Kretschmann 2011: Seitdem haben die Sitzenbleiberquoten in Baden-Württemberg um mehr als das Doppelte an Gymnasien und um fast das Fünffache an Realschulen zugenommen.
Bildungsexperte und Gymnasiallehrer Dr. Timm Kern unterstrich die FDP-Forderung nach einem ausdifferenzierten und durchlässigen Schulsystem, das „die passende Schule für jedes Kind“ ermögliche – und die damit verbundene Notwendigkeit, zur verbindlichen Grundschulempfehlung zurückzukehren. Deren Wegfall habe dafür gesorgt, „dass zu viele Kinder nach der Grundschule auf die für sie zu diesem Zeitpunkt falsche Schulform wechseln, wo sie nicht optimal gefördert werden können.“ Kern: „Die dadurch verursachte Heterogenität in den Klassen macht es Lehrkräften zunehmend schwer, mit ihrem Unterricht allen Schülerinnen und Schülern gerecht werden zu können.“
Seit Jahren setze sich die FDP dafür ein, dass diese „fatale, ideologisch geleitete Fehlentscheidung“ zurückgenommen werde: Allerdings war ein entsprechender Gesetzentwurf der FDP/DVP-Fraktion zur Wiederherstellung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung erst am Tag zuvor im Stuttgarter Landtag mit den Stimmen von CDU, GRÜNEN und SPD abgelehnt worden.
Seit 2011 sei unter Ministerpräsident Kretschmann „ein Schaufelbagger durch den bildungspolitischen Garten Baden-Württembergs gefahren und man hat kaum einen Stein auf dem anderen gelassen“, fasste Kern seine Kritik zusammen. Nun gehe es darum, das Bildungsversprechen „weltbeste Bildung und klare Aufstiegschancen für alle Kinder“ endlich wieder zu erneuern. Um den Bildungsverfall im Land zu stoppen, stellte Kern ein ganzes Bündel an FDP-Forderungen vor:
- Mehr Lehrkräfte durch Abschaffung des Numerus Clausus für das Lehramtsstudium an Pädagogischen Hochschulen, wo vor allem Grundschullehrer und Sonderpädagogen ausgebildet werden. Kern: „Für diesen Beruf ist das Herz am rechten Fleck wichtiger als beim Notendurchschnitt eine Eins vor dem Komma.“
- Angesichts immer heterogener Klassen und vielen Kindern mit Migrationshintergrund müsse nicht nur der Klassenteiler wieder gesenkt, sondern die Sprachförderung massiv ausgebaut und verpflichtende Sprachtests eingeführt werden.
- Da Grundschullehrer nur noch in ganz wenigen Bundesländern so schlecht bezahlt werden wie in Baden-Württemberg, sei eine höhere Eingruppierung von A12 nach A13 und damit verbundene Wertschätzung der Pädagogen dringend gefordert.
- Auch bei den Schulpsychologen weist Baden-Württemberg eine viel zu geringe Quote auf – hier müssten laut Kern viel mehr Schulpsychologen ausgebildet und eingestellt werden, ebenso wie Schulsozialarbeiter.
- Mit der Schaffung von Stellen für Schulverwaltungsassistenten könnten Schulleiter und Lehrkräfte bei der Vielzahl ihrer bürokratischen Aufgaben entlastet werden.
- Die Unterrichts-/ Lehrkräfteversorgung an Schulen dürfe nicht länger „auf knappe Kante genäht sein“, sondern müsse im Idealfall etwas über 100 Prozent liegen. Damit ließe sich nicht nur in Grippezeiten ein massiver Unterrichtsausfall verhindern, es könnten auch mehr AGs angeboten werden.
„Baden-Württemberg kann sich nicht länger ein zweitklassiges Bildungssystem leisten“, fasste Julia Goll die Beiträge des Abends zusammen – verbunden mit einem herzlichen Dank an die Podiumsteilnehmer für ihre wichtigen Impulse sowie an die Besucher, darunter der Waiblinger FDP-Bundestagsabgeordnete Prof. Stephan Seiter, für die interessanten Fragen und Diskussionen, die auch noch beim anschließenden Umtrunk fortgesetzt wurden.